Die Herkunft der Falkennovelle von Boccaccio
Die Falkennovelle stammt aus dem Dekameron, das der italienische Dichter Giovanni Boccaccio zwischen den Jahren 1348 und 1353 schrieb. Das Dekameron ist die erste Novellensammlung. Die Handlung spielt im Jahr 1348, dem Jahr, in dem die Pest in Florenz herrschte. Im Dekameron flüchten sieben Damen und drei Herren vor der Seuche auf ein Landgut, wo sie sich zum Zeitvertreib zehn Tage lang Geschichten erzählen. So ergeben sich, in die Rahmenhandlung eingebettet, 100 Novellen. Am fünften Tag erzählten sich diese Personen schließlich die Falkennovelle.
Was ist eine Novelle?
Das Wort Novelle stammt vom italienischen Wort novella ab und bedeutet so viel wie „Nachricht“, „Neuigkeit“ bzw. „Erzählung“. Eine Novelle ist also eine kleine Neuigkeit oder eine kurze Erzählung. Sie wird meist in Prosa verfasst und ihre einsträngige Handlung hat einen deutlichen Wendepunkt. Wichtig ist vor allem das Leitmotiv, das sogenannte Dingsymbol. Ein Dingsymbol kann ein Tier, eine Pflanze oder ein Gegenstand sein. Als Sinnbild spielt es im jeweiligen literarischen Werk eine wesentliche Rolle für den Verlauf der Handlung und damit für den zentralen Konflikt. Das Dingsymbol kann zudem auch Hinweise auf den Charakter einer Figur sowie ihren Lebensweg, ihre Gefühle oder Wünsche geben. Darüber hinaus ist die Novelle durch eine unerhörte Begebenheit gekennzeichnet. Die Bezeichnung „unerhört“ ist in diesem Zusammenhang als noch nicht gehört zu verstehen. Die unerhörte Begebenheit ist also ein außergewöhnliches Ereignis.
Falkennovelle – Handlung
Was ist das Thema der Falkennovelle? Sie beschäftigt sich – wie auch die anderen Novellen im Dekameron – mit der Liebe. Es folgen eine Inhaltsangabe und Zusammenfassung der Falkennovelle.
Im Mittelpunkt der Falkennovelle steht der Ritter Federigo degli Alberighi. Er hat sich in die adlige Monna Giovanna verliebt, die als eine der schönsten Damen der mittelalterlichen Stadt Florenz gilt. Federigo versucht, sie zu beeindrucken, indem er Feste und Turniere ausrichtet und sie reich beschenkt. So gibt er seinen ganzen Besitz für seine Angebetete aus, bis ihm nur noch sein kleines Bauerngut und sein Falke bleiben. Dennoch erwidert Monna Giovanna seine Liebe nicht.
Monna Giovannas Gatte wird schwer krank und verstirbt. Weil er in seinem Testament seinen Sohn als einzigen Erben eingesetzt hat, muss Monna Giovanna in ein Landhaus ziehen, das in der Nähe von Federigos Bauerngut liegt. Ihr Sohn lernt Federigo kennen und findet großen Gefallen an dessen Falken. Als der Sohn eines Tages krank wird, wünscht er sich Federigos Falken, weil er glaubt, durch den Falken schnell wieder gesund zu werden. Deshalb geht Monna Giovanna zu Federigo. Sie bittet ihn, sie zum Essen einzuladen.
Federigo will die adlige Dame gerne standesgemäß bewirten. Aber weil er keine geeigneten Speisen hat, tötet er seinen Falken, bereitet ihn zu und serviert ihn ihr. Erst nach dem Essen gesteht Monna Giovanna, dass sie gekommen sei, um Federigo um den Falken für ihren Sohn zu bitten. In diesem Moment glaubt Federigo zu erkennen, dass sich seine Liebe zu Monna Giovanna niemals erfüllen wird. Er beginnt, bitterlich an zu weinen, und erklärt ihr, dass sie soeben den Falken verspeist haben.
Monna Giovanna kehrt voller Sorge zu ihrem kranken Sohn zurück, der kurz darauf stirbt. Nun erbt Monna das Vermögen und sie wird eine reiche Frau. Ihre Brüder drängen sie, wieder zu heiraten. Monnas Wahl fällt auf den Mann, der bereit war, seinen wertvollsten Besitz, nämlich seinen Falken, für sie zu opfern. Ihre Brüder sind zunächst dagegen, dass sie einen mittellosen Mann heiratet. Aber Monna Giovanna kann sie von Federigos Aufrichtigkeit überzeugen, sodass sie schließlich in die Hochzeit einwilligen.
Merkmale der Falkennovelle
Warum ist die Falkennovelle eine Novelle? Die Falkennovelle weist alle wichtigen Merkmale einer Novelle auf.
So ist die Falkennovelle eine Erzählung mit einsträngiger Handlung und in Prosa verfasst. Das Dingsymbol der Falkennovelle ist der Falke. Er symbolisiert Federigos Liebe zu seiner Angebeteten und spielt eine wesentliche Rolle für den Verlauf der Handlung. Nur weil Federigo bereit ist, den Falken für Monna Giovanna zu opfern, kann er ihr Herz gewinnen. In der Falkennovelle ist die Bedeutung des Falken sehr hoch. Anhand des Falken als Dingsymbol lässt sich deshalb auch der Spannungsverlauf beschreiben, denn das gemeinsame Abendessen bildet den Höhepunkt und sogleich den Wendepunkt der Handlung. Monna Giovanna, die Federigo bisher ignoriert hat, erkennt nun seine Aufrichtigkeit und entdeckt ihre Liebe zu ihm. Dieses Ereignis ist auch gleichzeitig die unerhörte Begebenheit. Das Dingsymbol, der Spannungsverlauf und die unerhörte Begebenheit sind also miteinander verknüpft.
In der folgenden Tabelle werden noch einmal kurz die Merkmale der Falkennovelle zusammengefasst:
Merkmale einer Novelle |
Falkennovelle |
Erzählung |
ja |
einsträngige Handlung |
ja |
Prosa |
ja |
Dingsymbol |
Falke |
Wendepunkt und Höhepunkt |
das Abendessen |
unerhörte Begebenheit |
Weil Federigo den Falken opfert, der ihrem Sohn vielleicht das Leben hätte retten können, erkennt Monna Giovanna ihre Liebe zu Federigo. |