Potentialis
Der Potentialis oder der potentiale Hauptsatz drückt eine Vorstellung aus und wird durch eine Konjunktivform im Präsens oder Perfekt für die Gegenwart bzw. im Imperfekt für die Vergangenheit angezeigt. Du erfährst hier Übersetzung und Verneinung.
Inhaltsverzeichnis zum Thema
- Was ist ein Potentialis?
- Potentialis der Gegenwart
- Potentialis der Vergangenheit
- Verwendung des Potentialis
Was ist ein Potentialis?
Du möchtest einen Satz übersetzen und findest im Hauptsatz einen Konjunktiv? Dann kann dies Verschiedenes zum Ausdruck bringen:
- einen Wunsch
- eine Vorstellung
- eine Aufforderung
In diesem Text geht es um die Vorstellung. Sie kann durch einen potentialen Hauptsatz bzw. den Potentialis ausgedrückt werden.
Für die Beschäftigung mit diesem Thema solltest du Konjunktivformen erkennen und bestimmen können. Nur dann kannst du wissen, um welchen Potentialis es sich handelt und wie du ihn übersetzen musst.
Der Potentialis drückt eine Möglichkeit aus. Er beschreibt keine Tatsache (Realität), sondern eine Vorstellung. Diese muss jedoch denkbar sein. Somit liegt der Potentialis irgendwo zwischen dem, was ist, und dem, was nicht ist. Ein Beispiel verdeutlicht dies besser:
- salto – ich tanze
- non salto – ich tanze nicht
- saltam – ich könnte tanzen
Ich tanze nicht, stelle es mir aber vor, weil es möglich ist, dass ich tanze.
Diese Möglichkeit kann sowohl in der Gegenwart (Potentialis der Gegenwart) als auch in der Vergangenheit (Potentialis der Vergangenheit) bestehen. Das hängt vom Tempus des Verbs ab. Der Konjunktiv Präsens sowie der Konjunktiv Perfekt drücken den Potentialis der Gegenwart aus, der Konjunktiv Imperfekt den Potentialis der Vergangenheit.
Potentialis der Gegenwart
Nutzt der Sprecher einen Potentialis, so drückt er nicht direkt aus, dass etwas geschieht oder nicht. Er legt sich nicht fest, ob seine Vorstellung naheliegend ist oder nicht. Du kannst in vielen Fällen jedoch davon ausgehen. Das macht eine Übersetzung uneindeutig. Du kannst einen Potentialis der Gegenwart deshalb auf verschiedene Weisen übersetzen: mit „könnte“, „möchte“ oder „wohl dürfen“. Ein Beispiel im Konjunktiv Präsens:
- putem (ich könnte glauben)
Der Sprecher sagt nicht, dass er glaubt, aber es liegt doch nahe. Du kannst also auch mit „ich möchte glauben“ oder „ich darf wohl glauben“ übersetzen.
Dasselbe gilt bei einem Konjunktiv Perfekt:
- putaverim (ich könnte/möchte/darf wohl glauben)
Potentialis der Vergangenheit
Anders ist die Übersetzung beim Potentialis der Vergangenheit. Hier liegt die Möglichkeit in der Vergangenheit und ist nun nicht mehr gegeben. Die Übersetzung der Konjunktiv Imperfekt-Form lautet dann:
- putarem (ich hätte glauben können)
Bedenke aber, dass nicht jeder Konjunktiv im Hauptsatz ein Potentialis ist. Nimm zum Beispiel scriberetis. Dies Form kann sein:
Potentialis der Vergangenheit: ihr hättet schreiben können
Irrealis der Gegenwart: ihr würdet schreiben
Rein formal kannst du nicht entscheiden, welche Konjunktivfunktion vorliegt. In solchen Fällen musst du aus dem Kontext erschließen, wie du übersetzen musst.
Verwendung des Potentialis
Eine Hilfe bei solchen Doppeldeutigkeiten ist die Verneinung. Der Potentialis wird nämlich immer mit non verneint. Liegt dir also folgender Satz vor, kannst du einen Potentialis ausschließen:
- ne scripsistis
Ein Potentialis steht nie mit ne. Stattdessen hast du hier einen Prohibitiv, den du so übersetzt:
- Schreibt nicht!
Eine weitere wichtige Sache, die du über den Potentialis wissen musst, ist, dass er in der 2. Person Singular in der Regel unpersönlich übersetzt wird. Du übersetzt dann also nicht mit „du“, sondern „man“. Hier sind ein paar gängige Wendungen:
- crederes (man hätte glauben können)
- diceres (man hätte sagen können)
- videres (man hätte sehen können)
- credas (man könnte glauben)
Der Potentialis wird übrigens gerne bei rhetorischen Fragen verwendet:
- Quis putaret hoc tam facile esse? (Wer hätte geglaubt, dass das so einfach ist?)
In diesem Sinne: Viel Erfolg beim Üben und vale!
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