Urbanisierung beschreibt die Ausbreitung der städtischen Lebensform, bei der immer mehr Menschen vom Land in die Städte ziehen. Erfahre, wie dies das Leben vieler Menschen veränderte und welche Ursachen dahinterstecken. Interessiert? Du wirst dies und vieles mehr im folgenden Text finden!
Im Jahr 2022 lebten fast 78% der Bevölkerung Deutschlands in Städten. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war das noch umgekehrt: Drei Viertel der Bevölkerung lebten auf dem Land. Das änderte sich im Zuge der Industrialisierung. Die sogenannte Urbanisierung hatte starke Auswirkungen auf das Alltagsleben vieler Menschen.
Unter Urbanisierung versteht man die Ausbreitung der städtischen Lebensform (lat. urbs = Stadt). Der Anteil der städtischen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung steigt und Menschen ziehen aus dem Land in die immer größer werdenden Städte. In den Städten entsteht eine neue Lebensweise, die durch Individualität und häufig wechselnde soziale Kontakte geprägt ist.
Ursachen der Urbanisierung
Eine der Hauptursachen für das starke Wachstum der Städte war die Zuwanderung von Arbeitskräften aus ländlichen Regionen, die man auch als Landflucht bezeichnet. Durch die Abschaffung der Leibeigenschaft und die Bauernbefreiung bot sich der Landbevölkerung erstmals die Möglichkeit, an anderen Orten ihr Glück zu suchen. Gleichzeitig war das Leben auf dem Land nicht unbedingt leichter geworden. Durch Fortschritte in der Landwirtschaft war es zu einem starken Bevölkerungsanstieg gekommen, so dass nicht mehr genug Land und Arbeit für alle zur Verfügung stand. Gerade Kleinbauern verarmten, weil sie nicht das Geld aufbringen konnten, um ihre ehemaligen Grundherren für ihr Land zu entschädigen.
Auf der anderen Seite stieg der Bedarf nach Arbeitskräften in den Städten und den neuen industriellen Ballungsräumen. Fabriken und Unternehmen siedelten sich dort an, wo es Rohstoffe gab, wie zum Beispiel im Ruhrgebiet mit seinen Kohle- und Eisenerzvorkommen oder in Schlesien. Auch Handelsstädte waren für die Unternehmen wegen ihrer guten Verkehrsanbindung attraktiv.
Als Folge dieser Entwicklungen stieg die Bevölkerungszahl in den Städten besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stark an. Städte wie Hamburg und München verdreifachten ihre Einwohnerzahl; im Ruhrgebiet wuchsen viele kleine Städte zu einer einzigen großen Stadtregion zusammen. Besonders junge, alleinstehende Menschen zogen in die Städte und gründeten dort oft schnell eigene Familien. Auch die Geburtenrate war in den Städten höher.
Einwohnerzahlen industrieller Metropolen
1875
1910
Berlin
966.859
2.071.257
Hamburg
264.675
931.035
München
193.024
596.467
Leipzig
127.387
589.850
Dortmund
57.742
214.226
Essen
54.790
294.653
Lebensbedingungen in den Städten
Vor allem in der Anfangsphase der Urbanisierung waren viele Städte mit der Unterbringung so vieler Menschen überfordert. Es entstanden ganze Arbeitersiedlungen, oft am Stadtrand und in wenig begehrten Lagen. Die in aller Eile gebauten Mietskasernen waren billig gebaut und feucht. Ganze Familien lebten auf engstem Raum unter oft katastrophalen hygienischen Verhältnissen. Zusätzlich gab es oft noch „Schlafgänger“ – Schichtarbeiter, die während des Tages stundenweise Betten zum Schlafen anmieteten, während die eigentlichen Mieter arbeiteten. Viele Menschen waren unter- oder mangelernährt. Kinder mussten oft arbeiten und konnten keine Schule besuchen, so dass die sozialen Aufstiegsmöglichkeiten gering waren. Unter diesen Umständen konnten sich Krankheiten, wie Cholera und Tuberkulose, vor allem in der Unterschicht schnell ausbreiten. Man spricht in diesem Zusammenhang vom Pauperismus (lat. pauper = arm), also von Massenarmut.
Fabrikarbeiterhaus aus der Zeit der Industrialisierung
Die städtische Lebensweise
Gleichzeitig mit diesen Arbeitervierteln entstanden neue Villenviertel in besseren Lagen für das gehobene Bürgertum. Die neu entstandenen sozialen Klassen lebten also auch räumlich voneinander getrennt. Neue Verkehrsmittel verbanden die entstandenen Vororte mit dem ursprünglichen Stadtgebiet.
Das Stadtzentrum, wie wir es heute kennen, mit Einkaufs- und Unterhaltungsmöglichkeiten, bildete sich allmählich heraus. Kulturelle Angebote wie Kino und Kaufhäuser erhöhten die Anziehungskraft der Städte. Das Stadtleben war schneller, anonymer und mehr auf den Konsum und die Freizeitgestaltung ausgerichtet als das Landleben mit seinem Fokus auf Nachbarschaft und Gemeinschaft.
Entwicklung einer städtischen Infrastruktur
Im Laufe des 19. Jahrhunderts besserte sich die Lage in den Städten. Moderne Stadtverwaltungen bildeten sich heraus, die die Probleme angehen konnten. Nach und nach wurde die Infrastruktur modernisiert. Spezialisierte Ämter mit bezahlten Fachkräften übernahmen immer mehr die Organisation des täglichen Lebens. Dazu gehörten unter anderem:
ein funktionierender elektrischer Nahverkehr mit Zügen und Straßenbahnen und schließlich sogar Untergrundbahnen,
die Versorgung mit Gas und Elektrizität,
eine regelmäßige Müllentsorgung,
die saubere Trennung von Trinkwasser und Abwasser und der Ausbau der Kanalisation und Kläranlagen,
eine regelmäßige Straßenreinigung,
und Straßenbeleuchtung, zunächst mit Gaslampen, später elektrisch.
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