Antigone (Sophokles)
Auch wenn sie schon über 2000 Jahre alt sind, werden die Stücke des griechischen Dichter Sophokles auch heute noch gelesen. Zu seinen bekanntesten Werken gehört die Tragödie „Antigone“.
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„Antigone“ – eine klassische griechische Tragödie
Es ist etwa 442 v. Chr., wir befinden uns im antiken Athen, die attische Demokratie ist auf dem Vormarsch. Gerade findet wieder einmal ein Fest zu Ehren des Gottes Dionysos statt. Ein Teil des Festes ist ein Dichtercasting. Ein Casting? Naja, so werden es die alten Griechen wohl nicht genannt haben, aber heutzutage würden wir es wahrscheinlich so bezeichnen. Drei Dramatiker treten gegeneinander an und präsentieren ihre Stücke. Eine Jury wählt dann den Gewinner. Dieses Jahr mit dabei: einer der bekanntesten griechischen Dichter – Sophokles (etwa 497–406 v. Chr.). Beim Wettstreit tritt er u. a. mit seiner Tragödie „Antigone“ an, eines der wenigen bis heute erhaltenen Stücke von ihm. Er bedient sich dafür – wie es üblich ist für griechische Tragödien – an mythischen Stoffen. Als Vorlage dient Sophokles die Geschichte um das Herrschergeschlecht der Labdakiden, das mit einem Fluch belegt ist. Der Prominenteste unter ihnen ist wohl der König Ödipus; Antigone ist seine Tochter. Die Ausgestaltung der Figuren und die konkrete Handlung gehen allerdings auf die Fantasie des Dichters zurück.
Inhaltsangabe
In der Antike sind den Menschen die griechischen Sagen genauso geläufig wie uns heute Märchen oder Popsongs. Alle kennen die Vorgeschichte zur „Antigone“: Ödipus tötet seinen Vater, ohne zu wissen, dass er sein Vater ist, heiratet unwissentlich seine Mutter und wird schließlich König. Als Ödipus die Wahrheit erfährt, flieht er, und seine Mutter tötet sich. Die vier gemeinsamen, nun elternlosen Kinder – darunter auch Antigone – wachsen bei ihrem Onkel Kreon auf. Als wäre das alles nicht schon genug, töten sich die beiden Brüder Antigones gegenseitig. Eteokles, der eine Bruder, soll daraufhin bestattet werden; der andere Bruder, Polyneikes, hingegen jedoch nicht, da er sich zuvor als Feind des Staates schuldig gemacht hat.
An dieser Stelle setzt das das Drama „Antigone“ ein. Ödipus‘ Tochter möchte nämlich, dass ihr Bruder bestattet wird, da er sonst nicht ins Totenreich, den Hades, einziehen kann. Doch König Kreon, ihr Onkel, ist empört über den Ungehorsam seiner Nichte und beschließt, sie lebendig in einem Felsengrab einzumauern. Die Versuche, ihn umzustimmen, scheitern zunächst – Kreon bleibt hart. Erst der Rat der Ältesten kann ihn von seiner Fehlentscheidung überzeugen. Antigone soll aus dem Felsengrab befreit werden, doch es ist zu spät: Sie hat sich bereits darin erhängt.
Personen
Die zwei Hauptpersonen – Antigone und Kreon – sind gleichzeitig auch die zwei Gegenspieler in dem Drama. Die junge Frau befindet sich in einer sehr traurigen Phase ihres Lebens, denn ihre beiden Brüder sind tot. Sie ist sehr fromm, ihr Glaube und das Gebot der Götter verlangen, ihren Bruder Polyneikes ordnungsgemäß zu bestatten. Doch mit ihrem Standpunkt zieht sie den Zorn ihres Onkels auf sich. Dabei erweist sie sich als willensstark und mutig; sie riskiert sogar den eigenen Tod. Selbst im Felsengrab beugt sie sich nicht dem Vorgeschriebenen, sondern handelt selbstbestimmt, indem sie sich tötet.
Für Kreon stehen Staat und Gemeinschaft an erster Stelle. Klar, als König von Theben muss er schließlich die Verantwortung für sein Land übernehmen. An seine Gesetze müssen sich alle halten, egal ob Freunde, Familie oder Fremde. Auch bei Antigone kann und will er keine Ausnahme machen. Er stellt Staat und Götter über alles, und an dieser Einstellung hält er rigoros fest. Er ist unbeugsam und uneinsichtig. Das rächt sich zum Schluss: Er bleibt als gebrochener Mann zurück.
Eine weitere wichtige Figur in „Antigone“ ist Haimon, Kreons Sohn. Er steht zwischen den Fronten, denn Kreon ist sein Vater, gleichzeitig liebt er Antigone. Allerdings scheut er lange den offenen Konflikt mit Kreon. Er versucht es lieber auf die diplomatische Art und Weise, seinen Vater davon zu überzeugen, Antigone am Leben zu lassen. Dabei geht er durchaus geschickt und redegewandt vor. Doch es ist zwecklos, selbst mit der Drohung, sich selbst umzubringen, kann er seinen Vater nicht umstimmen. Schließlich setzt Haimon seine Drohung in die Tat um: Er ersticht sich nach Antigones Tod mit einem Schwert.
Interpretation und Rezeption
Kern der Tragödie ist der uralte Konflikt zwischen Staat und Individuum. Hier äußert er sich als Konflikt zwischen zwei Sturköpfen: Antigone nimmt für ihre Überzeugungen hinsichtlich der Familie und der göttlichen Gebote ihren Tod in Kauf, Kreon nimmt keine Rücksicht auf Antigones Ansichten und beharrt auf seine Gesetze. Im Grunde hat er ja nichts Falsches getan! Er hat ein Gesetz erlassen und alle müssen sich ausnahmslos daran halten. Doch dass auch Gesetze ihre Grenzen haben, das kommt Kreon nicht in den Sinn. Recht und Rechtmäßigkeit: Diese Thematik hat bis heute nicht an Aktualität verloren! Auch die Frage, wie sich individuelle Ansprüche mit den Vorschriften des Staates vereinbaren lassen, ist dringlicher denn je. Deswegen feiert das Stück auch bis heute große Erfolge. Zudem haben sich viele andere Größen der Literaturgeschichte des Stoffes bedient, u. a. Jean Racine, Johann Wolfgang von Goethe, Alfred Döblin oder auch Bertolt Brecht.
Was denkst du, hat Sophokles den Wettbewerb gewonnen? Die Antwort ist: ja! Und das nicht nur einmal: Man munkelt, er habe mit seinen Stücken den Wettstreit im Dionysostheater über 24 Mal gewonnen!
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