Aus dem Leben eines Taugenichts (Eichendorff)
„Aus dem Leben eines Taugenichts“ ist die wohl bekannteste Novelle Eichendorffs, in der die Suche nach dem eigenen Glück und nach einem selbstbestimmten Leben thematisiert wird.
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- Kurze Zusammenfassung
- Inhaltsangabe
- Entstehungsgeschichte
- Personenkonstellation und Struktur
- Interpretationsansatz und Rezeption
Kurze Zusammenfassung
Die Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ von Joseph von Eichendorff entstand 1822/1823 und wurde drei Jahre später, im Jahre 1826, veröffentlicht.
Das literarische Werk umfasst zehn Kapitel, die das Leben eines Müllers Sohn erzählen. Aufgrund seiner Ziellosigkeit und Faulheit nennt ihn sein Vater einen Taugenichts. Der Sohn kommt der Aufforderung seines Vaters nach und macht sich auf eine weite Reise, um dort unverhofft nicht nur zu sich selbst, sondern auch zu seinem Glück zu finden.
Inhaltsangabe
„Das Rad an meines Vaters Mühle brauste und rauschte schon wieder recht lustig, der Schnee tröpfelte emsig vom Dache, die Sperlinge zwitscherten und tummelten sich dazwischen; ich saß auf der Türschwelle und wischte mir den Schlaf aus den Augen; mir war so recht wohl in dem warmen Sonnenscheine.“
So beginnt Eichendorffs Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“. Der Inhalt des Werkes erstreckt sich über zehn Kapitel.
Kapitel eins
Die Hauptfigur – ein Müllerbursche – wird von seinem hart arbeitenden Vater aufgefordert, in die weite Welt zu gehen, um sich sein Brot selbst zu verdienen. Das setzt der Taugenichts zu Beginn der Novelle in die Tat um. Voller Freude singt er sein Lied und begleitet seinen Gesang mit Geigenmusik:
*„Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt, dem will er seine Wunder weisen in Berg und Tal und Strom und Feld.“ *
Auf seiner Reise begegnet er zwei Damen in einer Kutsche. Der Reisewagen der Damen stoppt und nimmt den Wandersmann ein Stück mit. Ehe er es bemerkt, findet er sich in der Auffahrt eines Schlosses wieder. Er nimmt an, dass die „gnädigen Damen“ dort leben. In eine der beiden schönen Frauen verliebt er sich während der Kutschfahrt. Aufgrund seiner entwickelten Liebelei nimmt er die ihm angebotene Stelle als Gärtner an. Er hält seine Geliebte für adlig und damit für unerreichbar. Voller Gefühl singt er ihr Lieder und hofft sie zu sehen. Kommt es dann zu einer zufälligen Begegnung, meidet seine Angebetete jeglichen Blickkontakt. Der Taugenichts deutet das als Ablehnung und fehlendes Interesse und leidet deshalb unter großem Liebeskummer.
Kapitel zwei
Nach dem Tode des Zolleinnehmers des Landguts, tritt der Taugenichts in seine Fußstapfen und legt einen Blumengarten an. Nun kann er seiner Angebeteten jeden Tag einen Strauß selbst gezüchteter Blumen binden. Ein großer Maskenball steht bevor und der Taugenichts soll der „gnädigen Frau“ Blumen bereitstellen. Darüber freut er sich riesig, denn er hält die „gnädige Frau“ fälschlicherweise für seine Angebetete. Doch in Wahrheit war damit die Gräfin gemeint. Während des Maskenballs sieht er seine Angebetete mit dem Schlossherren gemeinsam auf dem Balkon. Er interpretiert alle Ereignisse und hält die Feier für die Verlobung seiner schönen Frau. In Wahrheit handelt es sich aber nur um die Feier ihres Geburtstages. Voller Unwissenheit und erfüllt von einem Wechselbad aus Trauer und Freude über die wiedergewonnene Freiheit, verlässt der Taugenichts mit seiner Geige das Schloss.
Kapitel drei
Auf seiner Reise wird er von zwei Reitern für ortskundig gehalten. Sie geben sich als die Maler Herr Guido und Herr Leonhard aus und fragen den Taugenichts nach dem „Weg nach B“. Der naive Taugenichts merkt nicht, dass er sich mitten in einer Entführung im Auftrag seiner Herrschaft befindet. Es dauert nicht lang, da identifizieren die zwei Reiter den Taugenichts als Gärtner des Schlosses.
Kapitel vier
Im Dorf B angekommen, stoßen die vermeintlichen Maler und der Taugenichts auf einen Wagen mit prächtigen Postpferden. Er solle sich die vornehme Kutscherskleidung anziehen und dann nach Italien ziehen. Die Nacht verbrachte er noch in einem Rathaus. Nachdem der Taugenichts aufgewacht und aufgestanden war, bemerkt er, dass die zwei Maler weg sind. Alles was er vorfindet ist der prächtige Postwagen und ein voller Geldbeutel. Er beginnt seine Fahrt.
Kapitel fünf
Als er ein großes, altes Schloss erreicht, wird der Taugenichts in vornehmer Kutscherskleidung herrschaftlich empfangen. Die Anwohner des Schlosses erwarten eigentlich die gräfliche Tochter Flora, welche, als Kutscher verkleidet, das Schloss betreten sollte.
Kapitel sechs
Der Taugenichts erhält einen Brief unterzeichnet mit dem Namen „Aurelie“ . Er ist vor Freude außer sich, da er seine schöne Angebetete für die Absenderin hält. Jedoch ist dieser Brief eigentlich Flora gewidmet, welche sich als Maler verkleidet im Schloss aufhalten sollte. Aufgrund der Verwechslung ist der Taugenichts in einem verschlossenen Zimmer und muss sich durch eine versperrte Schlossanlage nach draußen retten.
Kapitel sieben
Die Stadttore Roms passierend, hört der Taugenichts Gesang. Dieser erinnert ihn an seine Angebetete. Mit diesem Gedanken klettert er über die Gartenmauer, um die singende Person zu identifizieren. Leider flieht diese, ohne dass der Taugenichts sie erkennen kann. Er wartet vergeblich auf die Rückkehr der Sängerin und schläft dabei ein. Von einem Landsmann erfährt der Taugenichts, dass eine Gräfin aus Deutschland auf der Suche nach zwei Malern und einem jungen Musikanten mit Geige ist. Sofort erkennt sich der Taugenichts in der Beschreibung wieder. Etwas verwirrt und ohne jegliche Orientierung läuft er durch die Straßen Roms.
Kapitel acht
Auf einem Fest trifft er die Kammerjungfer seiner Herrschaft, welche ihm einen Zettel zusteckt. Darauf stehen Informationen, wo und wann die deutsche Gräfin ihn empfange. Zur rechten Zeit am rechten Ort angekommen, erwartet den Taugenichts nicht seine Angebetete, sondern eine rundliche Dame, auf der Suche nach einem Liebesabenteuer. Nach diesem Rückschlag beschließt der Taugenichts das „falsche Italien“ zu verlassen.
Kapitel neun
Der Taugenichts macht sich auf den Weg zu einem Schloss bei Wien. Auf dem Weg dorthin trifft er Studenten aus Prag, die dasselbe Ziel haben sowie einen Geistlichen. Letzterer erzählt während der Schiffsfahrt auf der Donau, dass es in diesem Schloss bald eine Hochzeit geben werde. Der Taugenichts sieht sich in Gedanken sofort als Bräutigam.
Kapitel zehn
Am Zollhaus angekommen, hört der Taugenichts ein bekanntes Lied. Der „Maler Herr Guido“, also die Grafentochter Flora, sitzt am Teich neben der „schönen gnädigen Frau“. Der reiche Graf, getarnt als „Maler Herr Leonhard“, rettet Flora vor einem aufdringlichen Verehrer. Nachdem er sich mit Floras Mutter versöhnt hat, möchte er um die Hand der Grafentochter anhalten. Es stellt sich jedoch heraus, dass die „schöne gnädige Frau“ nicht die Mutter der Grafentochter war, sondern die verwaiste Nichte des Portiers namens Aurelie. Die Angebetete des Taugenichts ist somit nicht adlig. Der Hochzeit steht demnach nichts mehr entgegen. Als die zwei Verliebten aufeinander treffen, gestehen sie sich ihre Liebe. Gemeinsam planen die Portiers Nichte Aurelie und der Taugenichts ihre Hochzeitsreise nach Rom.
Entstehungsgeschichte
Joseph von Eichendorff wuchs während der Jahrhundertwende in Schlesien im Schloss Lubowitz, nahe der Stadt Ratibor auf.
„Wer einen Dichter recht verstehen will, muss seine Heimat kennen.“ (Eichendorff an den Dichter Fouqué)
Joseph von Eichendorff verbrachte eine idyllische Kindheit mit seinen Eltern im Umfeld des schlesischen Landadels. Dort entwickelte er seine Passion zu der Schönheit der Natur und dem Wechsel der Jahreszeiten. Eichendorff studierte und arbeitete im Anschluss für den preußischen Staat, jedoch schrieb er fast sein ganzes Leben lang Gedichte, Novellen und Theaterstücke – das erste Mal übrigens bereits im Alter von zehn Jahren! Während des Studiums in Halle hatte er engen Kontakt zu den Romantikern. Diese setzten sich dafür ein, dass Fantasie und Natur in der zunehmend Vernunft geprägten Welt wieder einen wichtigen Stellenwert einnehmen. Auch die Sehnsucht nach Freiheit und Unabhängigkeit wird in Eichendorffs romantischen Werken immer wieder thematisiert. Im Jahre 1816, während seiner Zeit als Referendar ohne Aufstiegschancen, begann er seine Niederschriften für das Werk “Aus dem Leben eines Taugenichts”. Eichendorff entdeckte für sich in der Kunst der Dichtung einen gegensätzlichen Pol zur der Sorge und der menschlichen Beschränkung Nachdem sich Eichendorff Jahre mit der Poesie und Dichtung auseinandergesetzt hatte, veröffentlichte der Verlag Vereinsbuchhandlung Berlin 1825 das erste Manuskript und nannte das Werk ”Aus dem Leben eines Taugenichts” .
Personenkonstellation und Struktur
Der Taugenichts ist ein munterer junger Mann mit einer Vorliebe für Volkslieder. Er entspricht voll und ganz dem Prototypen der Romantik. Der Taugenichts wird als „lustiger Gesell“ und „charmanter Junge“ verkörpert und gewinnt dadurch schnell die Sympathien seiner Gegenüber. Gleichzeitig erregt er aber auch viel Missmut und wird aufgrund seiner Naivität als „großer Narr“ bezeichnet. Eichendorffs Taugenichts lebt in seinen Vorstellungen und Gedanken und versäumt es, den Wahrheitsgehalt der ihm zugekommenen Informationen zu prüfen. Dennoch verfolgt er die Ideologie von Traditionen und Ritualen aus vergangener ritterlich-höfischen Zeit. Mit der Figur des von Sehnsucht und Lebenslust getriebenen Taugenichts hat Eichendorff einen Gegenentwurf zum klassischen Bildungsroman geschaffen. Die Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ führt zwei Personenkreise auf, die funktional an die Hauptperson des Taugenichts gerichtet ist.
Die Personengruppe Philister
Die Philister sind durch ihre Genügsamkeit gekennzeichnet. Sie streben nicht nach „dem Größeren“, sondern geben sich mit den einfachen Dingen zufrieden, wie zum Beispiel dem Kartoffelanbau. Ein Vorzeige-Philister aus dem Werk „Aus dem Leben eines Taugenichts“ ist der alte Zolleinnehmer.
Die Personengruppe Taugenichts
Der Taugenichts ist das Paradebeispiel eines romantischen Menschen. Er setzt sich hohe Lebensziele und unterläuft vielen Emotionen. Im Allgemeinen ist sein Lebenslauf von neuen Auf- und Umbrüchen geprägt.
Die Bezeichnung Taugenichts kann je nach Blickwinkel unterschiedlich bewertet werden:
- Aus Sicht der Philister: In der Kunst erkennen die Philister keinen Wert – die Bezeichnung ist eher negativ behaftet.
- Aus Sicht der Romantiker: Der Begriff hat eine positive Bedeutung, da der Taugenichts ein (Lebens-)Künstler ist.
- Aus bürgerlicher Sicht: Aus bürgerlicher Perspektive stellt die Bezeichnung „Taugenichts“ eine nutzlose Existenz dar.
In Eichendorffs Novelle werden sowohl die positiven, als auch die negativen Seiten des Künstlerdaseins dargestellt. Die Novelle ähnelt einem Märchen, da der Held auf Reisen ist, auf seinem Weg vielen Helfern begegnet und spontan, naiv und unbekümmert handelt. Die anderen Personen aus dem Werk „Aus dem Leben eines Taugenichts“ sind keine ausgearbeiteten Charaktere. Stattdessen sind sie meist entweder Helfer oder können als Philister charakterisiert werden, die ein anderes Lebenskonzept, als der Taugenichts, vertreten. Mit all seinen Eigenschaften, gilt Joseph von Eichendorffs Taugenichts als Versinnbildlichung allen Schmerzes und Ungenügens der bürgerlichen Existenzansprüche und der Verkörperung der Sehnsucht und des Fernwehs.
Interpretationsansatz und Rezeption
Zentrale Themen der Novelle sind die beiden Fragen: „Was bedeutet Glück?“ und „Wie kann ich Glück erreichen?“ All das sind Fragen, die sich Menschen schon seit vielen Jahrhunderten immer wieder aufs Neue stellen. Für den Dichter Eichendorff ist es zeitlebens von großer Bedeutung, eine Balance zwischen Arbeit und Dichtung zu finden.
Das Oberthema Glück wird in dem Werk „Aus dem Leben eines Taugenichts“ immer wieder in verschiedenen Zusammenhängen diskutiert. Religiöse, philosophische und literarische Texte bieten jedoch nur Antwortansätze. Zudem wird das Glück als Schicksal dargestellt und nicht als ein Gut, für welches man selbst verantwortlich ist. Im Rahmen dieser fiktiven Autobiografie gelangt der Ich-Erzähler zu seinem Glück und seiner Liebe und findet eine Möglichkeit zum Leben fernab des Philisterdaseins. Während Eichendorff die Personen und Gegenstände frei und unscharf beschreibt, stellt er die Landschaften hingegen in einer bildlichen Detailverliebtheit dar. Dabei orientiert sich Eichendorff bei der Beschreibung der Landschaften nicht an den tatsächlichen geografischen Gegebenheiten, sondern vielmehr an der vorherrschenden Tageszeiten und dem Seelenzustand des Helden. Die Landschaften sind somit ein Symbol für die existentielle Grundsituation des Menschen. Die Novelle beinhaltet Elemente des Liebes-, Abenteuer-, Entwicklungs- und Bildungsromans, sodass sie, gemäß dem Ideal der Romantiker, als eine Art Universalpoesie verschiedene Formen in sich vereint. Zehn Kapitel spiegeln zehn Station im Leben des Taugenichts wider.
Die Stadt Rom versinnbildlicht das Künstlermilieu: Das Leben freier Menschen deren Leitgedanke von Fantasie und Kunst geprägt war. Dazu zählen Musikanten, Künstler und Studenten. Mit dem Werk „Aus dem Leben eines Taugenichts“ schafft es Eichendorff vor dem fantasielosen Philistertum in die romantische Traumwelt voller Naturpoesie.
Die Aussage der Novelle könnte auch wie folgt zusammengefasst werden: Der Taugenichts ist der liebenswürdige Protest der Romantik gegen die philiströse Versklavung der Gesellschaft durch die Arbeit. Das Ziel der vielen Aufbrüche und Reisen ist die Auslebung der Freiheit und das Finden zu sich selbst. Dabei kommt es weder auf das Transportmittel, noch auf das Reiseziel an. Taugenichtse lassen sich nie vom kleingeistigen Denken anderer von der Entfaltung ihrer Selbst abbringen. Joseph von Eichendorffs „Aus dem Leben eines Taugenichts“ beschreibt den romantischen Gedanken wie ein junger Mensch das Glück in der weiten Welt sucht – und findet.
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