Die Physiker (Dürrenmatt)
In Dürrenmatts Tragikomödie entdeckt Möbius die Weltformel – eine fatale Erfindung. Ihrer grausamen Bedeutung bewusst, gibt sich Möbius als Verrückter aus und lebt in einem Sanatorium. Doch kann er die Menschheit dadurch vor seiner Erfindung retten?
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Entstehungsgeschichte des Werks
Ständig werden Technologien erforscht, die das Leben der Menschen verbessern. Aber was passiert, wenn jemand etwas erfindet, was die gesamte Menschheit zerstören könnte? Diese Frage steht im Zentrum des Dramas „Die Physiker“ von Friedrich Dürrenmatt, einem der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. In seinen Werken steht unter anderem die Frage nach der Schuld und Verantwortung des Menschen für sein Handeln im Mittelpunkt, so auch in „Die Physiker“ aus dem Jahr 1962, einer Komödie in zwei Akten.
Wichtige Einflüsse für das Drama waren die Werke „Leben des Galilei“ von Bertolt Brecht und „Heller als tausend Sonnen“ von Robert Jungk. Auch Dürrenmatts Tragikomödie handelt von Wissenschaftlern, die zu tragischen Figuren werden. Vor allem wurde Dürrenmatts Werk von den zeitgeschichtlichen Umständen – dem Kalten Krieg – beeinflusst. Die Menschheit war in dieser Zeit der ständigen Gefahr einer nuklearen Katastrophe zwischen den Supermächten USA und der Sowjetunion ausgesetzt. Diese Bedrohungssituation wird durch das Bemühen der Wissenschaftler in „Die Physiker“ um die sogenannte Weltformel dargestellt – eine Erfindung, welche die ganze Menschheit vernichten könnte.
Inhalt
In „Die Physiker“ leben drei vermeintlich verrückte Wissenschaftler in einer Heilanstalt. Alle drei bewerten die Verantwortung der Wissenschaften unterschiedlich. Der Wissenschaftler Johann Wilhelm Möbius hat die Weltformel entdeckt. Um die Menschheit davor zu schützen, gibt er sich als Verrückter aus. Die beiden Mitpatienten und eigentlichen Geheimagenten Beutler und Ernesti repräsentieren die verfeindeten Mächte während des Kalten Krieges. Sie simulieren ihre Verrücktheit, um an Möbius' Weltformel zu gelangen. Ihrer Bedeutung bewusst, vernichtet Möbius seine brisanten Aufzeichnungen. Außerdem kann er die beiden Mitwisser davon überzeugen, die Weltformel aufgrund ihrer Gefährlichkeit nicht zu veröffentlichen, schließlich seien die Wissenschaftler für ihre Erfindungen und deren Konsequenzen verantwortlich. Dennoch gerät die Weltformel in die falschen Hände. Die Leiterin der Heilanstalt Mathilde von Zahnd hat diese bereits kopiert und plant, mit ihr die Weltherrschaft an sich zu bringen.
Personenkonstellation
In „Die Physiker“ spielt die gesamte Handlung in einer Irrenanstalt. Doch wer ist hier wirklich verrückt?
- Möbius, der, wie du weißt, der geniale Erfinder der Weltformel ist, gibt sich als Verrückter aus und lebt in der Heilanstalt, um die Menschheit vor seiner Erfindung zu bewahren.
- Der Patient Herbert Georg Beutler, der sich für Isaac Newton hält, aber in Wahrheit der Geheimagent Alec Jasper Kilton ist, vertritt die Position, dass Forscher ihre Erkenntnisse veröffentlichen müssen und nicht für die Konsequenzen ihrer Erfindungen verantwortlich sind.
- Der andere Patient Ernst Heinrich Ernesti, der sich für Albert Einstein hält und in Wahrheit der Agent Joseph Eisler ist, vertritt die Meinung, dass Wissen Macht ist und Wissenschaftler ihre Erkenntnisse in den Dienst der Politik stellen sollen.
- Die Aufgabe der Leiterin der Heilanstalt Mathilde von Zahnd ist es, die Patienten zu heilen. Während die Wissenschaftler aber nur vermeintlich verrückt sind, ist sie die einzige Verrückte in der Konstellation, die mithilfe der Weltformel die Weltherrschaft an sich reißen will.
Interpretationsansatz
In „Die Physiker“ thematisiert Dürrenmatt die Frage nach der Verantwortung der Wissenschaftler. Möbius handelt verantwortungsvoll, er ist entschlossen die Menschheit vor seiner Weltformel zu schützen. Dabei muss er jedoch zahlreiche Opfer eingehen: Zum einen gibt er seine Identität und seine Karriere auf, zum anderen muss er seine Familie verlassen. Er sieht sich sogar gezwungen, einen Mord zu begehen, um sein Geheimnis und damit die Menschheit zu schützen. Dies verdeutlicht die tragische Ironie des Stücks. Gerade dieses Verhalten ist jedoch moralisch verwerflich und stellt ihn auf die gleiche Ebene wie die beiden Mitpatienten. Diese begehen ebenfalls Morde an Krankenschwestern, die sie mit einem höheren Zweck rechtfertigen. Die Tragik Möbius‘ wird noch verstärkt: All seine Bemühungen sind vergeblich, die Weltformel gerät am Ende in die falschen Hände.
„Die Physiker“ gehört zu den bedeutendsten Werken Dürrenmatts. Während es in Westeuropa sehr positiv aufgenommen wurde, wurde es in den USA und der Sowjetunion, deren Handeln durch die Patienten Einstein und Newton repräsentiert und zugleich kritisiert wird, vornehmlich abgelehnt.
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