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„Don Karlos“ – Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte (Schiller)
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Grundlagen zum Thema „Don Karlos“ – Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte (Schiller)

Dieses Video zur Rezeptionsgeschichte und zum Interpretationsansatz zeigt dir die grundlegenden Motive in Friedrich Schillers Tragödie "Don Karlos". Du erfährst, was für die Einordnung als Familientragödie und was für eine politisches Drama spricht. Ebenso kannst du nachvollziehen, warum trotz des historischen Stoffes "Don Karlos" kein Geschichtsdrama darstellt. Viel Spaß beim Ansehen!

Transkript „Don Karlos“ – Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte (Schiller)

Friedrich Schiller: Don Karlos - Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte

Immer wieder wird Friedrich Schillers „Don Karlos“, der 1787 in Hamburg uraufgeführt wurde, im Kontext des politischen Dramas erwähnt. Ursprünglich war dies jedoch gar nicht so geplant. Wie kam es also dazu?

Schiller erhält 1782 vom Mannheimer Intendanten des Nationaltheaters, Dalberg, ein über 100 Jahre altes französisches Buch über den spanischen König Philipp II. Dalberg versprach sich aus dem Stoff eine Familientragödie und forderte von Schiller eine emotionale Adaption. Schiller machte in seinen Briefen an Dalberg Zugeständnisse hinsichtlich des Familienkonflikts, der im Drama eine zentrale Rolle spiele. Dies tat er aber vor allem aus taktischen Gründen. Als Schiller jedoch seine Anstellung am Mannheimer Theater verlor, sah er sich nicht mehr gezwungen, eine Familientragödie zu schreiben.

„Don Karlos“ war von da an weder als klassisches Historien- noch als Familiendrama konzipiert. Vielmehr interessieren Schiller psychologische Aspekte in der Politik. Die Psychologie etablierte sich als eigenständige akademische Disziplin erst Anfang des 19. Jahrhunderts. Schiller, der 1775 seine akademischen Studien mit einer Doktorarbeit in Medizin abschloss, betitelte diese: „Versuch über den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen". Inhaltlich stieß er somit bereits weit vor, indem er psychologische Aspekte wissenschaftlich untersuchte.

Die Beschäftigung damit setzte sich in der Dichtung fort. Diese Ausgangslage – also Schillers persönliches Interesse, seine pragmatische Orientierung sowie der Stoff an sich – sorgte dafür, dass mehrere zentrale Motive im Drama anklingen. Zum einen gibt es das Thema der Freundschaft, das speziell zwischen den Protagonisten Don Carlos und dem Marquis von Posa wirkt. Die Motivation für die Freundschaft ist jedoch unterschiedlicher Natur. Während Carlos keinen Verbündeten am Hof besitzt, also rein persönliche Gründe für die Verbindung hat, denkt der Marquis strategischer. Er verfolgt einen politischen Plan, für den eine Beziehung zu Carlos nützlich ist. Posa stellt somit seine politischen Intentionen über die freundschaftliche Verbindung.

Eine weitere Lesart wäre das Familiendrama, dessen Protagonisten allesamt in Betrug und emotionale Irrungen verwickelt scheinen. So liebt Carlos die Königin Elisabeth. Diese ist jedoch mit dem König Philipp II verheiratet. Dieser wiederum hintergeht seine Gattin mit Prinzessin Eboli, die in Carlos verliebt ist. So ist das Verhältnis der Ehe von Misstrauen und Desinteresse geprägt. König Philipp liefert am Ende des Dramas seinen Sohn an die Inquisition aus und opfert damit seinen einzigen Thronfolger. Dies bedeutet gleichzeitig das Ende der Dynastie.

Am häufigsten wird „Don Karlos“ jedoch als politisches Drama mit dem Marquis von Posa als zentraler Figur verstanden. Dieser repräsentiert die Philosophie der Aufklärung. Die humanistische Richtung wird insbesondere im berühmten Dialog zwischen König Philipp und Posa im dritten Akt deutlich, wenn Posa explizit fordert: „(...) geben Sie Gedankenfreiheit!“. Posa hofft somit auf eine Revolution von oben, auf den aufgeklärten Herrscher. Jedoch durchkreuzt der Repräsentant der Kirche die Pläne und macht deutlich, dass diese als Staat im Staate die Fäden in der Hand hält.

Gerade die Figur Posas wurde nach der Uraufführung als zu idealistisch dargestellt, kritisiert. Schiller geht darauf in den „Briefen über Don Karlos“ ein und schreibt: „Was man gegen diesen Charakter aus dem Zeitalter einwendet, in welchem ich ihn auftreten lasse, dünkt mir vielmehr für als wider ihn zu sprechen. Nach dem Beispiel aller großen Köpfe entsteht er zwischen Finsternis und Licht, eine hervorragende isolierte Erscheinung, […] Sagen Sie mir selbst, mein Freund – das kühne Ideal einer Menschenrepublik, allgemeiner Duldung und Gewissensfreiheit, wo konnte es besser und natürlicher zur Welt geboren werden als in der Nähe Philipps II. und seiner Inquisition.“

Ähnlich wie die Zuordnung hinsichtlich der Konflikte ein komplexes Konstrukt offenbart, stellt „Don Karlos“ auch epochentechnisch ein Mischung dar.

Der Vater-Sohn-Konflikt, das exponierte Ideal der Freundschaft und Posas Kampf für die Freiheit stellen typische Motive der literarischen Epoche des Sturm und Drang dar. Der Aufbau des Stückes hingegen, der Ansatz der klassischen Symmetrie des Dramas und die Verwendung des Blankverses bilden Säulen eines Bühnenwerks der Klassik. Dies gilt ebenso für das zentrale Motiv der Humanität. Somit kann „Don Karlos“ als Übergangswerk vom Sturm und Drang zur Klassik verstanden werden.

Wie aktuell “Don Karlos” auch über 200 Jahre nach der Uraufführung ist, zeigt Jette Steckels gefeierte Inszenierung am Hamburger Thaliatheater 2011, die Posas Kampf um die Freiheit als nach wie vor notwendig zeigt.

„Don Karlos“ – Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte (Schiller) Übung

Du möchtest dein gelerntes Wissen anwenden? Mit den Aufgaben zum Video „Don Karlos“ – Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte (Schiller) kannst du es wiederholen und üben.
  • Beschreibe, warum Schiller den Fokus des Dramas immer wieder veränderte.

    Tipps

    Schiller hatte eigene Pläne mit dem Drama, war jedoch von der Meinung und den Vorstellungen seiner Brotgeber eine Zeit lang abhängig.

    Lösung

    Schiller konnte nicht immer nach eigenem Gutdünken handeln und schreiben: Wie heute auch ist künstlerische Freiheit häufig nur mit finanzieller Unabhängigkeit zu erreichen.

    • 1782 erhielt Schiller vom Weimarer Theaterleiter von Dalberg den Stoff zum „Don Karlos“ überreicht. Nach Dalbergs Vorstellungen sollte Schiller daraus eine Familientragödie formen. Mit Rücksicht darauf legte Schiller das Drama an.
    • Nachdem er allerdings nach Mannheim gezogen war und auch dort seinen Posten verlor, war er zwar finanziell nicht besser gestellt, aber immerhin nicht mehr unter dem Einflussbereich seiner Arbeitgeber. Daher konnte er in das Drama nun die Aspekte einarbeiten, die ihn mehr interessierten: das Verhalten in der Politik, psychologisch betrachtet.
  • Fasse die drei zentralen Motive des Dramas zusammen.

    Tipps

    Freundschaft, Familie und Politik sind die drei zentralen Motive im „Don Karlos“.

    Lösung

    Um „Don Karlos“ interpretieren zu können, muss man die verschiedenen Dimensionen des Stücks untersuchen. Lässt man einen Aspekt weg, begreift man das Drama nur unvollständig.

    Die drei zentralen Aspekte, zu denen sich Schiller auch selbst äußerte, sind dabei die Freundschaft, die Familie und die Politik:

    • Die Freundschaft zwischen Karlos und Posa sieht von Weitem idealistisch aus: Posa opfert sich sogar für Karlos. Doch im Unterschied zu Karlos verfolgt er strategische Pläne mit der Freundschaft. Er will durch Karlos seine politischen Ziele umsetzen.
    • Die Familie des Königs ist zerrüttet: Die Gefühle, die durch die strikten Konventionen nicht gezeigt werden dürfen, werden unterdrückt, was zu Misstrauen, Eifersucht und Intrigen führt.
    • Und schließlich interessiert Schiller der psychologische Aspekt im politischen Verhalten der Akteure. Posa, der Mann der Aufklärung, will den von vielen Interessen umkämpften König zur Revolution von oben bewegen. Es stellt sich jedoch schließlich heraus, dass die Kirche sehr viel mehr Einfluss als der König selbst hat.

  • Erkläre die Charakteristika, die das Werk zu einer Mischung aus Sturm und Drang und Klassik machen.

    Tipps

    Die formgebenden Merkmale sind eher Charakteristika der Klassik, die thematischen hauptsächlich die des Sturm und Drang.

    Lösung

    „Don Karlos“ steht an der Grenze zwischen den beiden aufeinanderfolgenden Epochen des Sturm und Drang und der Weimarer Klassik. Das Drama verbindet thematische Schwerpunkte des Sturm und Drang mit der Formgebundenheit, die insbesondere die Klassik auszeichnet.

    In „Don Karlos“ sind vor allem die Motive typisch für den Sturm und Drang:

    • Die Freundschaft zwischen Karlos und Posa, die die als strikt empfundenen Familienkonventionen ersetzen sollte;
    • Der Kampf um Freiheit, der als Ausdruck des Widerstands gegen die zu große Autorität der elterlichen Aufklärer verstanden wurde und damit als Streben nach Autorität;
    • Der Vater-Sohn-Konflikt, der mit dem Streben nach Freiheit und dem Freundschaftsideal zusammenhängt;
    Die formgebenden Merkmale der Klassik sind:
    • Der klassisch symmetrische Dramenaufbau, unterteilt in die fünf Akte der Exposition – Steigerung – Höhepunkt – retardierendes Moment – Katastrophe;
    • Der Blankvers, das ist ein fünf-hebiger und vor allem reimloser Jambus;
    • Außerdem das vom Humanismus durchdrungene Menschenbild, der Idealismus und Altruismus propagiert;

  • Untersuche den folgenden Briefausschnitt und erkläre, wie Schiller das Motiv der Freundschaft im Drama angelegt hat.

    Tipps

    Das Ideal der Freundschaft ist nur eine Schicht des „Don Karlos“. Im Drama wird allerdings nicht eine ideale Freundschaft exemplifiziert, sondern eher ein Negativbeispiel gegeben.

    Lösung

    Das Motiv der Freundschaft stammt aus der Epoche des Sturm und Drang. Schiller wurde häufig so verstanden, dass sein Drama „Don Karlos“ eine ideale Freundschaft exemplifiziert. Das kann man insbesondere dann glauben, wenn man die Opferung von Posa für Karlos als höchsten Ausdruck der Freundschaft auffasst.

    Allerdings verwehrte sich Schiller gegen diese Interpretation. Denn die Beziehung der beiden gründete sich auf eine gemeinsame Jugend, die sich allerdings durch die strikte Hierarchie zwischen Königssohn und Untergebenem nicht auf Augenhöhe hat entwickeln können. Aus dieser Machtasymmetrie entwickelten sich Posas hoher politischer Geltungsdrang und Ehrgeiz.

    Beim Wiedersehen der beiden besteht die Freundschaft nur aus den halbvergessenen und nostalgischen Idealen der Jugend: Halbvergessen deshalb, weil nur Posa sie noch kennt und damit seine Pläne umsetzen will, jedoch nicht Karlos. Dieser wird von Posa in eine Stellung hineingedrängt, in die er eigentlich gar nicht hinein wollte. Karlos will aus persönlichen Gründen einen Freund, denn er ist am Hof alleine, Posa jedoch will Karlos’ Freundschaft aus strategischen Gründen, denn er braucht Karlos zum Umsetzen seiner Pläne. Schiller portraitiert damit, was eine Freundschaft nicht sein soll: die Instrumentalisierung der Freunde zu eigenem Zwecke.

    Quelle: Schiller, Friedrich (1879): Schillers sämtliche Werke. Briefe über Don Carlos.

  • Vervollständige den Titel von Schillers Doktorarbeit.

    Tipps

    Schiller untersuchte medizinisch, wie das instinktive Verhalten des Menschen mit dem vernünftigen Handeln zusammenhängt.

    Lösung

    Schillers Interesse an Psychologie wird schnell ersichtlich, wenn man sich die Forschung seiner Doktorarbeit ansieht. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts begann sich die Psychologie als eigenständige Disziplin der Wissenschaft herauszukristallisieren. Auch Schiller war daran beteiligt, indem er untersuchte, wie sich unsere Triebe, Bedürfnisse, Instinkte etc. auf unsere Vernunft auswirken und wie wir durch nicht-kontrollierbare Instanzen bestimmt werden. All dies beschrieb Schiller in seiner Dissertation mit dem Titel „Versuch über den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen“.

  • Untersuche, inwiefern sich die Dichter des Sturm und Drang künstlerisch befreien wollten.

    Tipps

    Die Aufklärer müssen strenge Schulmeister gewesen sein: Sie setzten derart viele und strikte Regelwerke, dass sie einen Protest auf Seiten jüngerer Autoren hervorriefen.

    Lösung

    Der Sturm und Drang ist eine literarische Strömung innerhalb der Epoche der Aufklärung und entstand Ende des 18. Jahrhunderts. Die überbetonte Vernunft und das Unterdrücken von Gefühlen hatten insbesondere in der Kunst dazu geführt, dass alles auf den erzieherischen Nutzen des Werkes ausgerichtet war. Der Verständlichkeit mussten sich alle formgebenden und ästhetischen Merkmale unterordnen. Es durfte nur hohe Sprache verwendet werden, die strikt regelmäßig sein sollte.

    Die Stürmer und Dränger wehrten sich gegen diese Zweckgebundenheit des Kunstwerks, die ein Ausdruck des autoritären Vernunftsdenkens der Elterngeneration war. Eine Protestbewegung fand sich zusammen, die sich gegen Konventionen, Regeln und gegen gesellschaftliche Normen auflehnte. Aus diesem Kampf heraus entstanden die verbreiteten Motive des Sturm und Drang wie Freundschaft, Freiheit, Natur als Zufluchtsort und der Vater-Sohn-Konflikt.

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