„Emilia Galotti“ – Entstehungsgeschichte (Lessing)
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Grundlagen zum Thema „Emilia Galotti“ – Entstehungsgeschichte (Lessing)
Die "Emilia Galotti" wurde vor langer Zeit geschrieben: 1772. Wie aber war die damalige Zeit? Was passierte in der Welt, wie sah das historische Deutschland aus? Und womit hielt sich Lessing über Wasser, als er an der Tragödie arbeitete? Auf diese Fragen hat das Video Antworten. Du wirst einen Einblick in den zeitgeschichtlichen Hintergrund bekommen und erfahren, was Lessing für eine Anstellung hatte. Und vor allem wirst du, nachdem du das Video gesehen hast, wissen, auf welche historische Quelle Lessing sich gestützt hat. Viel Spaß!
Transkript „Emilia Galotti“ – Entstehungsgeschichte (Lessing)
Kannst du dir vorstellen, wie es im Gebiet des heutigen Deutschlands 1772 ausgesehen hat? Zu der Zeit, als Gotthold Ephraim Lessing sein bürgerliches Trauerspiel „Emilia Galotti“ schrieb?
Historischer Hintergrund
Stell dir ein Land vor, in dem dreißig Jahre lang ein Krieg gewütet hat. Zwar lag der Dreißigjährige Krieg damals schon über hundert Jahre zurück. Doch noch immer waren seine Auswirkungen spürbar. Das Land war verwüstet. Die Bevölkerung war nur noch halb so groß wie zu Beginn des Krieges. Und Deutschland war in unzählige Klein- und Kleinststaaten zersplittert.
In ihnen herrschten die Fürsten. Sie regierten ganz nach dem Vorbild des französischen Sonnenkönigs, Ludwig XIV: „Létat c
est moi“ – „Der Staat bin ich“. Die Fürsten mussten sich vor keiner Verfassung rechtfertigen.
Doch das Zeitalter der Aufklärung, in dem sie lebten, blieb nicht ohne Einfluss auf die Fürsten. Auch sie wollten Teil der Geistesbewegung sein. So ereiferten sie sich als Bauherren, als Kunstsammler oder Kunstförderer. Wie wenig diese scheinbare Kulturliebhaberei mit tatsächlich aufgeklärtem Handeln zu tun hat, zeigt sich an Lessings Figur des „Prinzen von Guastalla“: Dem absolutistischen und egoistischen Fürsten in Emilia Galotti. Auch er ist ein Kunstförderer und –liebhaber, handelt jedoch ansonsten nur nach Eigeninteressen.
Die Fürsten des 18. Jahrhunderts sahen sich einerseits der Hofgesellschaft und andererseits dem immer stärker werdenden neuen Bürgertum gegenüber. Während das Bürgertum wirtschaftlich an Einfluss gewann, blieb es politisch völlig machtlos. Es wurde von den Fürsten beherrscht. Auch dieser zeitspezifische Konflikt zwischen Adel und Bürgertum spiegelt sich in Lessings Stück wider.
Lessings Lebenssituation
Lessing selbst war zur Entstehungszeit Bibliothekar beim Herzog von Wolfenbüttel. Er war also in die Hofgesellschaft eingebunden und finanziell von ihr abhängig. Schon in den 1750er Jahren hatte Lessing für einen Dramenwettbewerb einen ersten Entwurf zu “Emilia Galotti” geschrieben. Damals war das Stück noch als Dreiakter konzipiert. Dieser Entwurf ist jedoch nicht erhalten.
Jetzt nahm der Dichter sich den Geburtstag der Herzoginmutter zum Anlass, aus freundlicher Geste, das Stück neu zu schreiben.
Der Virginia-Stoff als Quelle
Dabei stützte sich Lessing auf eine wichtige Quelle: Auf den antiken Virgina-Stoff. Die tragische Geschichte der Virgina wurde vom römischen Historiker Livius überliefert. Die Geschichte spielt im 5. Jahrhundert vor Christus.
Zu der Zeit gibt es im römischen Reich eine Auseinandersetzung zwischen zwei Ständen: den Patriziern und den Plebejern. Die Patrizier waren die Oberschicht, die Plebejer die Unterschicht. Der einflussreiche Patrizier Appius wollte die Plebejerin Virgina für sich haben. Doch die junge Frau war bereits mit einem Plebejer verlobt. Also spann Appius eine Intrige.
Als Resultat davon sollte Virginia ihm als Sklavin gehören. Der Vater sah sich den mächtigen und intriganten Patriziern hilflos ausgeliefert. In einer Verzweiflungstat erstach er Virginia, um deren Freiheit zu retten. Der Tod Virginias löste eine Revolte im Volk aus. Appius wurde verhaftet und beging Selbstmord.
Umsetzung des Stoffs bei Lessing
Lessing stützte sich auf den römischen Stoff und baute einen expliziten Hinweis auf Virginia in sein Stück ein. Im letzten Aufzug sagt Emilia: „Ehedem wohl gab es einen Vater, der seine Tochter von der Schande zu retten, ihr den ersten den besten Stahl in das Herz senkte – ihr zum Zweiten das Leben gab.“
Das Motiv des Tochtermordes übernahm Lessing also eins zu eins. Hingegen befreite er den Stoff von allem Revolutionären: Das Volk, das einen Aufstand macht, findet sich in Lessings Bearbeitung nicht mehr. Er hielt die Geschichte um Vater und Tochter für tragisch genug. Ob Lessing die Zeit nicht für reif hielt, um eine tatsächliche Volksrevolution im Stück einzubauen, darüber lässt sich nur mutmaßen.
Auch so war sein Drama politisch brisant: Kritisierte er doch die absolutistischen Fürsten stark durch seine Darstellung des Prinzen von Guastalla. Lessing war sich daher auch nicht sicher, wie die Hofgesellschaft „Emilia Galotti“ aufnehmen würde. Von der Premiere des Trauerspiels – am 13. März 1772 – blieb Lessing fern. Er ließ sich wegen “starker” Zahnschmerzen entschuldigen.
Schlussbemerkungen
Nur 17 Jahre später war die Zeit in Frankreich tatsächlich reif für eine Revolution. 1789 stürmten Volksmassen die Barikaden und riefen das Zeitalter der Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit aus.
In Deutschland aber sollte Lessing mit seiner abgespeckten Virginia-Version recht behalten: So wie es in seiner Emilia keine Volksrevolte gibt, so blieb eine Revolution im historischen Deutschland ebenfalls aus. Während in Frankreich das Volk die Macht übernahm, herrschten in Deutschland weiterhin die Fürsten über das Volk.
„Emilia Galotti“ – Entstehungsgeschichte (Lessing) Übung
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Beschreibe die Situation Deutschlands 1772.
TippsEine geregelte Gesetzgebung gab es nicht. Wovor musste sich also kein Fürst rechtfertigen?
Lösung- Prinz v. Guastalla ist Lessings Beispiel für einen Fürsten, der sich eher in einem aufgeklärten Kulturgehabe als in aufgeklärtem Handeln versteht. So verhielten sich zu dieser Zeit viele in den Fürstentümern herrschende Männer.
- Louis XIV., auch genannt der Sonnenkönig, war das Vorbild vieler Fürsten. Er herrschte nach den Prinzip „L'état, c'est moi.” („Der Staat, das bin ich.“)
- Da es keine geregelte Gesetzgebung gab, mussten sich die Fürsten auch vor keiner Verfassung rechtfertigen.
- Sichtbar waren noch Verwüstungen aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs, der Deutschland auch politisch aus der Ordnung brachte.
- Im Zeitalter der Aufklärung emanzipierten sich die Bürger zunehmend und forderten ihre Rechte gegenüber dem Adel ein.
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Arbeite die Entstehungsgeschichte von „Emilia Galotti” im Kontext von Lessings Lebenslauf heraus.
TippsBei dem Dramenwettbewerb wurde „Emilia Galotti” nicht in endgültiger Fassung aufgeführt.
Lösung- Lessing studierte größtenteils in Leipzig Theologie und Medizin, wollte aber nicht wie sein Vater Pastor werden. Schon während der Studienzeit schreib Lessing erste kleinere Werke. Er schloss sein Studium mit einem Magister in Philosophie in Wittenberg ab.
- Lessing entwarf „Emilia Galotti” zunächst für einen Dramenwettbewerb, stellt das Stück aber erst anlässlich des Geburtstags der Herzogin Mutter, Philippine Charlotte, fertig. Die Uraufführung fand am 13. März 1772 statt.
- Eine Italienreise gehörte bei vielen Stürmern und Drängern, wie zum Beispiel Goethe, zum Pflichtprogramm. So reiste auch Lessing nach Italien, obwohl er nicht eindeutig dem Sturm und Drang, sondern eher der Aufklärung zuzuordnen ist.
- Lessing war weder bei der Uraufführung noch bei irgendeiner anderen Aufführung des Stücks anwesend. Trotzdem erregte das Stück aufgrund der behandelten Themen, insbesondere aufgrund des Konflikts zwischen Bürgertum und Adel, großes Aufsehen. Dies hielt einige Jahre an.
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Ermittle die Zusammenhänge zwischen dem Virginia-Stoff und „Emilia Galotti”.
TippsDie Plebejer waren das einfache Volk in der römischen Republik, das nicht dem Adel (Patrizier) angehörte.
LösungLessing stützte sich auf den Virginia-Stoff, als er „Emilia Galotti” entwarf. Es gibt sogar einen expliziten Verweis darauf, der am Ende des Stücks zu finden ist. Der Virginia-Stoff, der im 5. Jahrhundert vor Christus spielt, beinhaltet einen grundlegenden Konflikt zwischen Patriziern und Plebejern, ähnlich wie der zwischen Adel und Bürgertum. Ordoardo Galotti, dem Bürgertum angehörig, verachtet den Adel und sieht in dem Prinzen den Feind. Der Prinz will Emilia gewaltsam für sich gewinnen, wie auch Appius schon Virginia. Beide Handlungen enden in der Katastrophe, dem Tod der begehrten Frau. Anders als bei „Emilia Galotti” löste der Tod im Virginia-Stoff eine Revolte aus. Davon hat Lessing sein Stück befreit.
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Ermittle Parallelen zwischen dem Zeitgeschehen und der Handlung von „Emilia Galotti”.
TippsÜberlege noch einmal, was Prinz von Guastalla mit seinem Kulturgehabe intendiert.
LösungWährend der Entstehungszeit von „Emilia Galotti” herrschten die Fürsten der einzelnen Fürstentümern absolutistisch und mussten sich, genau wie Louis XIV., vor keiner Verfassung rechtfertigen. Diese Herrschaft verkörpert Prinz von Guastalla in „Emilia Galotti”. Die Diskrepanz von aufgeklärtem Kulturgehabe und aufgeklärtem Handeln wird bei ihm sehr deutlich. Es scheint, als läge ihm aufgeklärtes Handeln fern. Auch Odoardo ist von einem aufgeklärten Handeln noch weit entfernt, da er sich trotz anfänglicher Rationalität für die Rettung der Familienehre entscheidet, als er Emilia umbringt. Das Bürgertum hatte wie die Galottis noch keine politischen Mitbestimmungsrechte.
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Bestimme, nach welchem Prinzip Louis XIV. herrschte.
TippsDer Absolutismus war zur Entstehungszeit des Stücks die vorherrschende Staatsform in Europa. War das in Frankreich ebenso der Fall?
LösungDer Sonnenkönig Louis XIV. herrschte nach dem absolutistische Herrschaftsprinzip, welches sich unter dem Leitspruch „L'état, c'est moi” („Der Staat, das bin ich.”) zusammenfassen lässt. Das heißt, dass er legislative, judikative und exekutive Macht in einer Person verkörperte. Er hatte sich nach keiner Verfassung zu richten, ebenso wie die deutschen Fürsten und Prinz von Guastalla in dem Drama.
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Erkläre das Zitat von Immanuel Kant im Kontext von „Emilia Galotti“.
TippsVersuche Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen und Emilia miteinander in Verbindung zu bringen. Was ist der Zusammenhang?
Lösung- Immanuel Kant war einer der bedeutendste deutschen Philosophen. Mit seinem Essay „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ lieferte er eine bis heute beliebte Definition der Aufklärung. Er geht dabei auf den Gesamtgedanken der Epoche ein.
- In Lessings Stück sind eindeutig Ideen aus Kants Aufsatz zu erkennen.
- Emilia wird zum Spielball ihrer Eltern und des Prinzen. Es ist unklar, was sie eigentlich wirklich will, da sie nicht aus ihrer Unmündigkeit heraustritt.
- Selbst ihren Tod lässt sie von ihrem Vater ausführen. Auf symbolischer Ebene bringen ihre strengen bürgerlichen Moralvorstellungen sie um.
- Zeitlich gesehen entstand erst „Emilia Galotti“ und danach Kants Essay. Möglicherweise war Lessings Stück eine Inspiration oder aber auch einfach eine ähnliche Idee, die von allen Vertretern der Aufklärung unterstützt wurde.
- Kant definierte Unmündigkeit in seinem Essay nicht so, dass Menschen nicht genug Verstand besäßen, sondern Angst hätten, sich dieses zu bedienen. Das ist auch bei Emilia der Fall, da sie aus Angst keine eigenen Entscheidungen trifft.
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die Empfindsamkeit ist eine Facette der Aufklärung. Der Einzelne gewinnt an Bedeutung und durch seine Gefühle an Selbstbestimmung.
Viele Grüße vom Sofatutor-Team!
was ist die Empfindsamkeit?
Wunderschönes Video! Den historischen Kontext kann ich hervorragend in meine anstehende Interpretationsklausur einbauen