„Furcht und Elend des Dritten Reiches“ – Personenkonstellation (Brecht)
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Grundlagen zum Thema „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ – Personenkonstellation (Brecht)
Du hast vielleicht schon einige Szenen aus „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ gelesen und fragst dich nun, was du davon halten sollst. Wie soll ich bloß diese Szenen interpretieren, und was will mir der Dichter damit eigentlich sagen? Gibt es so etwas wie eine verbindende Thematik, einen roten Faden? In diesem Video findest du Antworten und Denkanstöße, die dir dabei helfen, das Gelesene einzuordnen.
Transkript „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ – Personenkonstellation (Brecht)
Eine durchgängige Personenkonstellation gibt es in Brechts “Furcht und Elend des Dritten Reiches” nicht. Das liegt an der Montagetechnik, mit der die einzelnen Szenen gestaltet sind; sie sind nur lose miteinander verbunden und bauen inhaltlich nicht aufeinander auf. Die Protagonisten sind ebenfalls je nach Szene andere; sie treten jeweils nur in einer Szene auf. Wir sehen uns deshalb exemplarisch die Szene “Rechtsfindung” genauer an:
In dieser Szene wird ein Gerichtsverfahren zur Farce, weil sich der Richter trotz eindeutigen Sachverhalts aus Furcht vor Repressalien der Nationalsozialisten nicht traut, nach geltendem Recht zu entscheiden.
„Ich entscheide so, und ich entscheide so, wie man das verlangt, aber ich muss doch wissen, was man verlangt.“ Zu dieser resignierenden Schlussfolgerung gelangt der Amtsrichter Goll gegen Ende der Szene „Rechtsfindung“ im Dialog mit seinem Vorgesetzten, dem Landgerichtsrat Fey. Sein eigenes Rückgrat scheint ihm bereits völlig abhanden gekommen zu sein.
Die Episode spielt 1934, also im Jahr nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten: die Justiz ist zu der Zeit geprägt durch die nationalsozialistische Ideologie. So müssen Richter, die unliebsame Urteile fällen, fürchten, in die Provinz versetzt oder ins Konzentrationslager geschickt zu werden.
Geschickt verstricken Bertolt Brecht und Margarete Steffin die Hauptperson der Szene, den Amtsrichter Goll, in ein Gewirr aus Loyalitäten und Abhängigkeiten. Dessen wankelmütige Grundhaltung tritt im Laufe des Stücks nach und nach immer deutlicher hervor. Was war passiert?
Das Geschäft des jüdischen Juweliers Herrn Arndt war überfallen worden. Dabei ist ein Sachschaden von über 11.000 Reichsmark entstanden. Hauptverdächtige sind die drei SA-Leute Häberle, Schünt und Gaunitzer.
Im Jahr 1934 war es für diese jedoch ein Leichtes, die Schuld auf Herrn Arndt zu schieben und ihn der Provokation zu bezichtigen. Ein solches Urteil scheint die einfachste Lösung zu sein.
Auch Inspektor Tallinger rät dem Amtsrichter dazu. Beide haben immerhin Familien und niemand möchte es sich mit dem örtlichen SA-Sturm verscherzen, aus dem die drei Hauptverdächtigen stammen. Der Amtsrichter ist Opportunist und zeigt sich sofort bereit, Herrn Arndt wegen Provokation zu verurteilen.
Die klar scheinende Situation nimmt noch einmal eine Wendung als Staatsanwalt Spitz behauptet, nicht Herr Arndt, sondern der Arbeitslose Wagner habe die SA-Leute provoziert. Dieser war zum Tatzeitpunkt zum Schneeschaufeln eingeteilt. Bezeugen will dies der Hausbesitzer Herr von Miehl, ein Mann mit exzellenten Beziehungen zur SS und zum Justizministerium, auf die der Staatsanwalt auch ungeniert hinweist. Dadurch stellt sich erneut die Frage: Wen soll Amstrichter Groll nun verurteilen, wen soll er freisprechen?
Eines wird in der Szene „Rechtsfindung“ sehr schnell deutlich, nämlich dass es hier niemand wirklich ehrlich meint. Dem Amtsrichter ist ausschließlich daran gelegen, sich niemanden zum Feind zu machen. Wen er dafür verurteilen muss, ist ihm beinahe egal.
Was den Hausbesitzer von Miehl angeht, ist er den jüdischen Mitbürgern nicht etwa freundlich gesonnen, sondern er ist schlicht auf die Mieteinnahmen angewiesen. Auch dem Staatsanwalt geht es nicht um die Unabhängigkeit der Justiz. Er weiß nur zu gut über von Miehls gute Beziehungen zum Justizministerium Bescheid und möchte insgeheim selbst Amtsrichter werden.
Seltsam ist auch, dass der Teilhaber des Juweliergeschäfts, Herr Stau, seinen eigenen Vorgesetzten der Provokation beschuldigt. Doch auch sein Motiv ist schnell durchschaut: Er will selbst Inhaber des Geschäfts werden und Herrn Arndt mit der Klage aus dem Geschäft drängen.
All diese Aussagen bringen den Amtsrichter Goll in eine Zwickmühle. Glaubt er den Aussagen von Herrn Stau, bliebe er zwar von der SA unbehelligt, würde aber gegen Herrn von Miehl, ihr erinnert euch, der Mann mit den guten Beziehungen, entscheiden und sich so das Justizministerium zum Feind machen.
Folgt er wiederum den Aussagen Herrn von Miehl müsste er erklären, weshalb er 1934 einen Juden freispricht und Angehörige der SA verurteilt.
Amtsrichter Goll kann es drehen und wenden wie er will. Entweder macht er sich die SA zum Feind oder das Justizministerium. Da helfen auch die geheuchelten Ratschläge des Landgerichtsrats Fey nicht. Wie schon gesagt, in der Episode „Rechtsfindung“ scheint es niemand wirklich ehrlich zu meinen.
Wirklich niemand? Da wäre noch das Dienstmädchen. Sie kennt als einzige den wahren Tathergang und weiß um die Schuld der SA-Leute. Sie vertraut noch auf die unabhängige Urteilsfindung der Justiz. Beim Amtsrichter Goll ist sie dabei aber an der falschen Adresse.
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