„Die Weber“ – Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte (Hauptmann)
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Grundlagen zum Thema „Die Weber“ – Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte (Hauptmann)
Wusstest du, dass "Die Weber" eines der am häugigsten aufgeführten Stücke in Deutschland und Europa ist? Und hättest du gedacht, dass es vor allem in Russland gefeiert wurde? Noch mehr zur Rezeptionsgeschichte von Gerhart Hauptmanns sozialem Drama erfährst du in diesem Video. Zudem wird näher auf den Aufbau des Theaterstücks, die Funktion des Weberliedes sowie die Absichten des Dramatikers eingegangen. Viel Spaß!
Transkript „Die Weber“ – Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte (Hauptmann)
“Die Weber sind ein Drama des Elends und des Hungers, aber nicht eine Verherrlichung sozialdemokratischer Weltordnung” schreibt Anwalt Grelling in seiner Klage beim Preußischen Oberverwaltungsgericht vom 05. April 1893. Denn der Berliner Polizeipräsident hat die Uraufführung von Hauptmanns Stück “De Waber” in Dialektfassung verboten. Hauptmann schreibt sie ins Hochdeutsche um. Aber wieder scheitert eine Genehmigung wegen des angeblich sozialdemokratischen Inhalts. Erst am 02. Oktober 1893 - fast eineinhalb Jahre später - wird der Berufungsklage entsprochen und “Die Weber” für die Aufführung am Deutschen Theater in Berlin freigegeben. So mühevoll dieser Prozess war, eine bessere Werbung hätte sich Hauptmann gar nicht wünschen können: Durch das Verbot gilt das Stück bereits im Vorfeld als Sensation. Ob im Inland oder im Ausland - wo immer “Die Weber” nach ihrer Freigabe gespielt wurden, hat das Publikum die Szenen des Aufbegehrens am meisten bejubelt. Die Kritiker waren sich einig, dass es sich um eines der ungewöhnlichsten und eindrucksvollsten Werke der deutschsprachigen Bühnenliteratur überhaupt handelte. Tatsächlich ist “Die Weber” eines der in Deutschland und im übrigen Europa am häufigsten aufgeführten Werke. Auch die gedruckte Version des Dramas erreichte hohe Auflagezahlen. Im Deutschen Theater in Berlin wurde Hauptmanns Stück alleine bis 1904 mehr als 350 mal gespielt. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg wurde “Die Weber” völlig von den deutschen Bühnen verbannt. Erstmals 1947 wieder aufgeführt, erhielt das Theaterstück ein dankbares Publikum und weiterhin interessante neue Regieansätze. Sehr großen Anklang fand Hauptmanns soziales Drama in den revolutionären Kreisen Russlands. Es gab heftige Diskussionen und illegale, ins Russische übersetzte, Drucke. 1905 wurde die erste Aufführung auf einer russischen Provinzbühne erlaubt. Das Publikum war mehr als begeistert. In den Pausen sang man revolutionäre Lieder und hielt Reden. Jedes freiheitliche Wort von der Bühne wurde enthusiastisch aufgenommen. Ebenso in den Metropolen Moskau und Leningrad, wo “Die Weber” ab 1917 aufgeführt werden durfte. Hauptmann wollte allerdings keine Revolution lehren, sondern eine menschliche Situation aufdecken. Seine Intention war es, das menschliche Gewissen anzuregen, zu Mitgefühl zu bewegen, denn ihn selbst hatte das Thema zutiefst erschüttert. Viele Kritiker bestätigen, dass bei “Die Weber” keine klassische Revolution vorläge, kein organisierter Plan, eher eine Verzweiflungstat. Im Unterschied zum traditionellen klassischen Drama ergibt sich der Aufstand nicht aus einem Konflikt heraus. Die Weber durchleiden ihr Schicksal. Erst der sogenannte Bote aus der Fremde, der ehemalige Soldat Moritz Jäger, löst eine dramatische Bewegung aus. Als Handlungsträger gruppieren sich die Weber von Akt zu Akt deutlicher. Ihre Handlungen werden zielstrebiger und militanter. “Sieg der Statisten” müsse das Stück eigentlich heißen, sagte der berühmte englische Schriftsteller Oskar Wilde mal. Andere sehen die Hauptfigur in der Masse in ihrer sozialen Befindlichkeit, in der Not. Dabei bildet jeder Akt eine kleine geschlossene Einheit. Das wachsende Bewusstsein von der Unterdrückung und die lauter werdende Artikulation der Not stellen die Verbindung zwischen den Akten her. Der 5. Akt ist regelrecht ein Mini-Drama. Kritik und Publikum empfanden ihn oft als unpassend, schlicht dilettantisch oder als Verrat an der Sache. Er rundet das ganze Stück aber ab. Die Literaturwissenschaft ist sich einig, dass mit “Die Weber” der Gipfel des naturalistischen Dramas erreicht worden sei. Äußerlich erfüllt das Drama auch alle Forderungen des Naturalismus: Milieu der armen Leute, lebensnahe Sprache, historisch wahre Begebenheiten und Verhalten der Figuren. “Die Weber” kann also als eine Tragödie der sozialen Ungerechtigkeit bezeichnet werden. Dabei ist die menschliche Not nicht nur eine materielle, sondern auch eine seelische. Es geht um Sehnsucht - nach einem besseren, gerechten Leben. Das Weberlied gibt dabei dem Drama eine melodramatische Leitlinie, ein dramaturgisches Rückrat, das entscheidend zur Einheit des Ganzen beiträgt. Das Lied schafft die Möglichkeit, den Protest formulieren zu können. Das Weberlied lehrt die Weber, dass die Gegensätze von Arm und Reich nicht naturgegeben sind. Es ist eine Mahnung an erlittene Ungerechtigkeit und prägt den Willen, sich gegen die Ausbeuter zu wehren. Einen Willen, der auch als der eines gerechten Gottes verstanden werden kann. Das Verbot der Polizei gibt dem Lied erst seine volle Wirkung - es wird Ausdruck der Sehnsucht und Solidarität. Hauptmann selbst war solidarisch - er hatte eine enge Beziehung zum Volk und beherrschte die Sprache der “kleinen Leute”, der Bauern und Handwerker seiner schlesischen Heimat. Er bezeichnet “Die Weber” als “Seelendrama” - und allein ein solches sei es, was tief eingreife. Es ist aber auch eine Wendung gegen die Erstarrung des längst fragwürdig gewordenen Bürgertums. Während des Rechtsstreits kommentierte Hauptmann in einem Brief vom 07. März ironisch: “Die Hauptsache ist, die Weber haben ein hundertjähriges Leben garantiert erhalten.” Und so gehört das soziale Drama auch heute noch zum Spielplan vieler Theater. Auch wenn es natürlich nicht mehr die gleichen Reaktionen wie damals auslöst - es bleibt ein herausragendes Dokument der Menschlichkeit.
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