„Prinz Friedrich von Homburg“ – Entstehungsgeschichte (Kleist)
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Grundlagen zum Thema „Prinz Friedrich von Homburg“ – Entstehungsgeschichte (Kleist)
In diesem Video erfährst du, was Heinrich von Kleist zu seinem letzten Schauspiel inspiriert und motiviert hat. Du wirst dabei die damaligen Lebensumstände des Dichters sowie die historischen Begebenheiten, während denen das Stück entstand, kennenlernen.
Transkript „Prinz Friedrich von Homburg“ – Entstehungsgeschichte (Kleist)
Insubordination, das bedeutet Befehlsverweigerung, Untergraben von Autorität und eigenständiges militärisches Handeln. Insubordination ist ein hierarchisches Tabu, zu dem sich während der preußischen Kriegsgeschichte ein paar mutige Generäle entschieden. Mitten im Krieg gegen Napoleon macht Kleist dieses Phänomen zum vordergründigen Thema seines letzten Schauspieles „Prinz Friedrich von Homburg“.
Kleists Prinz ist ein bravouröser Reitergeneral, vordergründig nach vertrauter volkstümlicher Schablone gezeichnet. Die Figur spielt auf zwei preußische Generäle an, die ebenfalls mit Insubordination zu tun hatten:
Namensvetter ist der historische Prinz von Hessen-Homburg, der in der Schlacht von Fehrbellin 1675 zum Kriegshelden wurde. Verheiratet war er mit der Nichte des Brandenburgischen Kurfürsten, der Homburg bald zum General in der Kavallerie ernannte. In der Schlacht von Fehrbellin griff der mittlerweile 42-Jährige die Schweden ohne ausdrücklichen Befehl an, obgleich sie in der Überzahl waren.
Damit leistete er einen entscheidenden Beitrag zum Sieg, der ihm und seinem Vorgesetzten lebenslange Ehre einbrachte. Der Vorwurf der Insubordination wurde jedoch nicht überliefert.
Anders während des Krieges gegen Napoleon zu Kleists Lebzeiten: Der junge Prinz Louis Ferdinand von Preußen hatte 1806 die Aufgabe, mit der Avantgarde eines Korps den Saaleübergang zu sichern. Ausdrücklicher Befehl des Königs war es, den Gegner nicht anzugreifen und sich bei einem Angriff des Feindes sogar zurückzuziehen.
Die französische Armee rückte jedoch ungewöhnlich schnell vor, was den Prinzen zu einem eigenmächtigen Angriff motivierte, obwohl einige Offiziere an seinen Verstand plädierten. Es wurde eine äußerst verlustreiche Niederlage. Prinz Louis Ferdinand fiel in der Schlacht. Viele lobten jedoch seinen Einsatz für das Vaterland.
Zwischen Louis Ferdinand und Kleists Prinz Homburg gibt es Parallelen: Louis Ferdinand führte wohl ein exzentrisches Leben, war Komponist und Klaviervirtuose. Ebenso schöngeistig und sensibel wird Kleists Prinz inszeniert. Zudem handelte es sich im Schauspiel um die gleiche Befehlssituation. Zu Zeiten Napoleons feierte das Volk Insubordinationen, denn der preußische König handelte ihnen zu zögerlich.
Angesichts der Bedrohung der eigenen Existenz setzte eine Welle des Patriotismus ein, der sich auch Kleist nicht entziehen konnte. Allerdings reichte diese Welle noch nicht aus, um gegen Napoleon vorzugehen.
Obwohl keiner seiner Beiträge aus dieser Zeit auf radikalen Patriotismus schließen ließ, zeigte Kleist 1808/09 plötzlich Hass und Rachegedanken gegen Napoleon und es entstanden mehrere patriotische Schriften.
Für diese Phase des Dichters gibt es zwei mögliche Deutungen: Kleist wollte aus wirtschaftlich-finanziellen Gründen etwas schreiben, das aus aktuellem Anlass Gehör finden würde, denn für Kunst an sich war der Augenblick ungünstig. Sein Stück zeigt, dass damals die Schweden besiegt werden konnten. Jetzt sollte dies auch mit den Franzosen möglich sein.
Oder aber Kleist dachte, endlich seine Bestimmung gefunden zu haben, nach der er ein Leben lang gesucht hatte: als Sprecher des Patriotismus und des vaterländischen Widerstandes.
Kleist hatte jedoch eigentlich schon mit 20 Jahren ein gebrochenes Verhältnis zum Staat. So versuchte er nach seinem Ausscheiden aus der Armee auf dem Land in der Schweiz sein Glück zu finden. Dort wollte er unabhängig von Staat und Gesellschaft leben. Kleist hatte etliche Fragen bezüglich der Wahrheit – und verarbeitete diese, indem er sie in den Lebensentwürfen seiner Dramengestalten durchspielen ließ.
Als ihm sein persönliches Ungenügen auf der Welt bewusst wurde, beteiligte er sich am Krieg und nahm in Kauf, den Tod in der Schlacht zu finden – aus privaten, nicht aus politischen Gründen. Seine Gefangenschaft wegen vermeintlicher Spionage nutzte er schulterzuckend zum Schreiben.
Mit dem Schreiben des Schauspiels “Prinz Friedrich von Homburg” muss Heinrich von Kleist 1809 begonnen haben. Ein Anhaltspunkt dafür wäre, dass er im Januar desselben Jahres aus der Dresdner Königlichen Bibliothek entsprechende Werke vom Geschichtsschreiber Flavius Josephus sowie von Karl Heinrich Krause entliehen hatte.
Als Inspiration dienten ihm die beiden bereits erwähnten historischen Quellen: Seinen Anti-Helden Prinz Friedrich von Homburg formte Kleist nach dem tatsächlichen Prinzen von Hessen-Homburg, der in der Schlacht von Fehrbellin 1675 ohne ausdrücklichen Befehl die Schweden angriff und besiegte.
Dem Kleist’schen Prinzen ähnlich ist außerdem der feinfühlige Prinz Louis Ferdinand von Preußen, der 1806 durch eigenmächtiges Handeln beim Gefecht von Saalfeld fiel, aber vom Volk für seinen Mut geehrt wurde.
Kleist schrieb ein vermeintlich patriotisches Stück, um in der damaligen Zeit Aufmerksamkeit für seine Kunst und Ehre am preußischen Hof zu erlangen. Sein eigentliches Thema ist das Individuum und die Gemeinschaft im aufgeklärt absolutistischen Staat.
Insubordination wird bei Kleist somit zu einer gesellschaftlichen Frage: * Muss ich meine individuellen Wünsche staatlichen Regeln unterordnen? * Kann ich nach freiem Willen oder nur nach gemeinsamer Zielsetzung handeln? * Stimmen die Interessen der Nation mit meinen überein?
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